EUROPE IS LOST ist ein feministisches Recherchenetzwerk und eine Hörspielreihe initiiert von Heike Bröckerhoff.
In Zusammenarbeit mit Isabel Bröckerhoff, Elisabeth Fast, Nadja Lindner, Colyne Morange, Livia Piazza, Višnja Sretenović und new trouble.
„Wie würdest du das übersetzen?
– Vielleicht Evropa je izgubljena. Das heißt so viel wie - wir haben Europa verloren. Es gibt dieses Wir irgendwie. Oder: izgubljena evropa... erinnert mich sehr an die Legende von Atlantis.
Also das wäre so etwas wie Lost Europe. Etwas ist verloren gegangen. Von sich aus.”
EUROPE IS LOST ist ein künstlerisches Forschungsprojekt, das danach fragt, wie wir gemeinsam Krisen bewältigen können. Dabei geht es uns um emotionale Zustände und Bewältigungsmechanismen, die mit wirtschaftlichen und sozialen Krisen, aber auch mit der Klimakrise verbunden sind.
Gemeinsam mit langjährigen Kolleginnen* aus ganz Europa entsteht eine experimentelle Hörspielreihe zu Themen wie radikaler Hoffnung, Nostalgie, Anpassung, Verleugnung und post-identitärer Zugehörigkeit. Mithilfe von Fiktion, journalistischer Neugier und performativen Gesten erproben wir, wie sich Unsicherheit und Ambivalenz aushalten lassen. Dabei begleiten uns öko-feministische und post-humanistische Perspektiven in ein anderes Europa, jenseits von Nationalstaaten. Ein Europa voll von neuen Allianzen, solidarischen Praktiken und Ritualen.
„Wir stecken da zusammen drin, aber nicht alle gleichermaßen.“ Rosi Braidotti
Wir verstehen unter Krise ein komplexes Geflecht aus ökologischen, wirtschaftlichen, sozialen, geopolitischen und kulturellen Herausforderungen. Die Pandemie verschärft bereits bestehende Probleme. Nationalismus, Angst und eine migrationsfeindliche Politik nehmen zu. Menschen verharren an den EU-Außengrenzen, während Waren aus aller Welt auf Containerschiffen frei und sicher reisen. Die Folgen der Klimakrise sind längst auch in Mitteleuropa spürbar. Und Solidarität scheint in der Europäischen Union eher auf wirtschaftlichen Interessen als auf ethischen Werten zu basieren.
Was machen wir damit? Was macht das mit uns? Wie gehen wir mit Gefühlen von Ohnmacht und Hilflosigkeit in Anbetracht dieses Krisengeflechtes um?
EUROPE IS LOST versucht Raum zu schaffen, um (kollektive) Emotionen zuzulassen, sie zu teilen und gründlich zu verstehen. Wir nutzen sie als Nährboden, um unsere Perspektive zu verschieben und neue Szenarien zu entwickeln. Unsere Werkzeuge dafür kommen aus dem Theater, aus der politischen Jugendbildung, aus Theorie, Journalismus und Auto-Ethnografie.
Wir proben, ob und wie wir in einer Welt leben können, in der Identität instabil und Grenzen fluide sind. Wir schaffen akustische Landschaften, wo der Mensch einen neuen Platz unter anderen Arten gefunden hat. Hier trainieren wir gemeinsam, mit Komplexität und Widersprüchen umzugehen. Wir glauben an die transformative Kraft von Storytelling. Mal sehen, wie weit wir kommen...
Heike Bröckerhoff macht Performance, Choreographie und Radio und verbindet mit Vorliebe diese Medien miteinander, um sich gesellschaftspolitischen Fragen zu widmen. Als Tanzdramaturgin hat sie lange frei in Hamburg gearbeitet und war oft auf Kampnagel und K3 - Tanzplan Hamburg zu Gast. Im Theater sucht sie nach Formen des kollektiven Arbeitens, die neue (temporäre) Gemeinschaften hervorbringen können. Für Europe is Lost hat sie zu Beginn der Pandemie langjährige Kolleg:innen aus verschiedenen Ländern eingeladen, um sich gemeinsam den Erfahrungen und Gefühlen zu stellen, die das Krisenbündel Europa in ihnen auslöst.
www.heikebroeckerhoff.de
Isabel Bröckerhoff arbeitet als freie Texterin, Übersetzerin und Sprecherin. Sie studierte Kulturwissenschaften, Sozialwissenschaften, Philosophie und Medienwissenschaft an der Universität Leipzig und der Technischen Universität Berlin. Sie lebte und arbeitete unter anderem in San Francisco und konnte dort erfahren, was es bedeutet, unabhängig von der Nationalität als Bürger:in Europas wahrgenommen zu werden.
Elisabeth Fast wurde in Nizhny Tagil in der ehemaligen Sowjetunion geboren und kam im Alter von 10 Jahren mit ihrer Familie nach Deutschland. Ihr Masterstudium absolvierte sie in Kulturwissenschaften an der Universität Leipzig und in European and Global Studies in Trondheim. Dem postsowjetischen Raum ist sie auch durch ihre eigene wissenschaftliche und politische Arbeit in und über die Region verbunden. Heute arbeitet sie für die Amadeu-Antonio Stiftung Sachsen zum Thema Verschwörungstheorie und Antisemitismus.
Nadja Lindner ist Kulturwissenschaftlerin mit Leidenschaft fürs Akustische. Sie arbeitet als freiberufliche Kulturschaffende, -managerin und Übersetzerin in Berlin. Studiert hat sie Medien- und Kulturwissenschaften in Düsseldorf und Vergleichende Studien für Literatur, Kunst und Philosophie in Barcelona. Ihre Liebe zum Medium Hörspiel hat sich seit der Studienzeit in mehreren akustischen (Co-)Kreationen manifestiert.
Colyne Morange ist Schauspielerin, Regisseurin und Autorin. Nach ihrem Schauspielstudium am Konservatorium in Nantes und am „Institut des Arts de Diffusion“ (Belgien) sowie der französischen Literatur und Fremdsprachen an der Universität Nantes arbeitete sie an neuen Theaterformaten, die die Grenzen zwischen den verschiedenen Medien aufheben. Sie ist Gründerin und künstlerische Leiterin der "Stomach Company“.
stomachcompany.free.fr
Livia Andrea Piazza arbeitet als Theoretikerin im Bereich der Kulturwissenschaften mit dem Schwerpunkt Kunst und Politik. Derzeit lehrt sie am Institut für Angewandte Theaterwissenschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen und an der Bocconi-Universität in Mailand. Sie engagierte sich in verschiedenen kollektiven Forschungsplattformen (z.B. Aleppo/Brüssel), kuratierte Theorieformate im Rahmen von Kunstfestivals und Institutionen (Festival Santarcangelo, Pact Zollverein, Essen) und arbeitet als freie Dramaturgin im Bereich Performance und Tanz.
Višnja Sretenović arbeitet als Regisseurin, Autorin, Performerin und Schauspielerin. Sie absolvierte BA Schauspiel an der Fakultät der Darstellenden Künste in Belgrad und MA Performance Studies an der Universität Hamburg. Ihre Arbeiten bringt sie in essayistischen Texten und bewegten Bilder unter, verbindet dabei Fiktion mit dokumentarischen Elementen und entwickelt daraus genreübergreifende performative Ereignisse.
www.visnjasretenovic.com
new trouble ist die künstlerische Zusammenarbeit zwischen der Choreographin Antje Velsinger, der Soundkünstlerin Julia Krause, der Kulturproduzentin Christina Gießmann und der Dramaturgin Heike Bröckerhoff. Gemeinsam entwickeln sie choreographische, multimediale Bühnenstücke. Ihre Arbeit ist motiviert von gesellschaftlichen Fragestellungen, die sie mit den Mitteln der Kunst untersuchen. In ihrem aktuellen Forschungsprojekt FUTURE RELATIONS beschäftigen sie sich mit der Frage, wie wir angesichts der sich zuspitzenden Klimakrise Beziehung neu denken und gestalten können.
https://antjevelsinger.com/
©2023 Heike Bröckerhoff